LRK – Rettungshunde im Einsatz beim Erdbeben in Algerien im Mai 2003

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Donnerstag Morgen, der 22. Mai 2003. Die westliche Welt erwacht und erfährt von einem schrecklichen Erdbeben das den Norden Algeriens in der vergangenen Nacht erschüttert und sehr viele Verletzte und Tote gefordert hat. Überall in der Welt machen sich Rettungstrupps zum Einsatz ins Katastrophengebiet bereit, sei das jetzt mit Rettungshunden, Bergungsgerät, medizinischem Gerät oder sonstigen Hilfsgütern.

Für die Rettungshundeführer des Luxemburgischen Roten Kreuzes sollte es kein Tag wie die anderen werden. Der erste konkrete Erdbebeneinsatz der 1996 gegründeten Rettungshundestaffel steht kurz bevor, und die Hundeführer wollen noch immer nicht glauben, dass es jetzt nach 7 Jahren mühseliger Aufbauarbeit so weit war, dass der erste grosse Trümmereinsatz im Ausland gefahren werden soll.

Nachdem klar gestellt war, dass 6 der 8 sich im sogenannten „Auslandspool“ befindenden ehrenamtlichen Helfer von ihren respektiven Arbeitgebern für den Einsatz vom Dienst freigestellt werden würden, wurde mit der Organisation der Reise begonnen und am Freitag morgen um 0500 Uhr starten die RH-Führer Jerry AST mit RH’in Mira, Jean-Jacques Ciaffone mit RH Sam, Patrick Weyrich mit RH Timo und John Klein mit RH Toby sowie die beiden Einsatzleiter Michèle Lentz und Yves Marx mit einer Luxair Linienmaschine von Luxemburg nach Rom, von wo aus es mit Alitalia nach Algier ging. In Algier angekommen, wurden zwei Minibusse, die das ganze Team nach Bourmedès im Zentrum des Erdbebengebietes etwa 50 km von Algier entfernt bringen sollten, organisiert. In Bourmedès wurden die meistens RH-Teams in einem grossen Stadion einquartiert, und nachdem das Zeltlager aufgebaut war, ging es auch schon gleich zum ersten Einsatz los.

Ein Einsatzleiter vom Algerischen Zivilschutz wies unseren EL ein, und die beiden Mini-Busse brachten unser Team unter 40°C Hitze zu einem von unzähligen Trümmerhaufen. Überall wo man hin schaute war die einheimische Bevölkerung, durch ausländische Rettungskräfte unterstützt, bei der unermüdlichen Suche nach überlebenden Familienmitgliedern oder Freunden, zu sehen. Mit blossen Händen wurden die Steine abgetragen und irgendwie versuchte man sich einen Weg zu einem vermutlichen Opfer zu bahnen. Die Angst vor Nachbeben hatte jeder im Nacken und riesige Notzeltlager, in denen die Einheimischen jetzt wohnten, waren in den Strassen von Bourmedès aufgerichtet worden.

Nachdem drei Schadensstellen abgesucht waren und keine lebenden Opfer lokalisiert worden waren, war der erste Einsatztag der LRK-RH-Staffel beendet. Erstmals konnten wir uns dann mit den Kollegen der BRK-RH-Staffel aus Ansbach und jenen des deutschen THW kurzschliessen um eine Lagebesprechung zu machen und uns für den zweiten Einatztag zu organisieren und einzuteilen. Yves Marx hatte inzwischen Kontakt mit den Einsatzleitern des algerischen Zivilschutzes und des UNO Katastrophenschutzes vor Ort aufgenommen und vertrat unsere Staffel dann auch bei den täglichen Briefings und Debriefings, was sich für die Informationsgewinnung um die Entwicklung der Schadenslage als sehr wichtig herausstellte. So wurden zum Beispiel ab 2000 Uhr aus Sicherheitsgründen keine Rettungsteams mehr in den Einsatz geschickt bis zum nächsten Morgen.

Das Leben im Camp (für die kurze Zeit wo kein Einsatz auf dem Programm stand und die Hunde und HF sich ausruhen konnten) organisierte sich dann auch sehr gut und vor allem die für den Menschen und den Hund so wichtige Versorgung mit frischem in Plastikflaschen abgefüllten Trinkwasser funktionierte reibungslos.

Jetzt war uns auch wieder bestätigt worden, dass die jahrelange sehr gute Zusammenarbeit der LRK-RH-Staffel mit den DRK-Rettungshundestaffeln jetzt ihre Früchte trägt, dies sowohl in der Organisation wie auch in der Sucharbeit im Einsatzgebiet. Sehr viele gemeinsame Ausbildungseinheiten und Einsatzübungen sowohl in Deutschland wie auch in Luxemburg haben den Grundstein zu dieser optimalen Zusammenarbeit gelegt.

Ab dem zweiten Tag war unser EL Yves Marx dann „hauptberuflich“ mit den Inspektionstrupps der UNO unterwegs (Michèle Lentz übernahm dann unsere Einsatzleitung an den Schadensorten) und konnte sich jetzt ein Bild über die Grösse der Katastrophe machen. Die Bauweise der Gebäude und die daraus resultierenden Trümmer liessen sich die Chancen viele Lebende zu bergen gleich von Anfang in Grenzen halten und so war es auch kein Wunder, dass die über hundert RH-Teams aus aller Welt weniger als 20 lebende Opfer lokalisieren konnten. Die hohen Temperaturen vor Ort trugen dann auch nicht zur Besserung dieser Situation bei und in manchen Vierteln machte sich schon ab Samstags ein eindringlicher Leichenduft bemerkbar.

Während des dreitägigen Einsatzes wurde das Gebiet von häufigen Nachbeben, dies vor allem nachts, erschüttert, die zwar keine weiteren Opfer aber wieder erheblichen Sachschaden anrichteten, getroffen.  

Nachdem an diesem zweiten Einsatztag nur noch zwei Opfer lebend lokalisiert werden konnten, wurde abends um 2000 Uhr im UNO Hauptquartier mit dem lokalen Zivilschutz entschlossen, ab sofort die Suche nach weiteren Überlebenden einzustellen. Die Aufgabe der Rettungshundesstaffel, d.h. die Lokalisierung lebender Opfer unter den Trümmern, war damit offiziell beendet und darauf hin wurde der Rückflug für Sonntag morgen geplant und zwar mit Aigle Azur von Algier nach Paris und dann mit Luxair am Abend weiter nach Luxemburg zurück.

Während des ganzen Einsatzes wurden wir immer wieder sehr herzlich von der lokalen Bevölkerung empfangen, auch dann wenn unser Sucharbeit mit negativem Ergebnis endete. In dem Sinn muss man der einheimischen Bevölkerung ein grosses Lob aussprechen, weil sie es grösstenteils verstand, trotz der schlimmen und aussichtslosen Lage, die Wechselbäder der Gefühle von Dank für die Helfer auf der einen Seite und Aufgebrachtheit über die lokale Politik auf der anderen Seite, einiger Massen unter Kontrolle zu halten.

Der erste Erdbebeneinsatz der LRK-Rettungshundestaffel endete also dann am Sonntagabend nachdem alle eingesetzten Mitglieder der Staffel, sowohl Hundeführer und Hunde, unverletzt und gesund am Heimatflughafen vom Rest der RH-Staffel sowie vom Direktor der luxemburgischen Roten Kreuzes herzlich empfangen worden waren. Zwei Gesprächseinheiten beim psychlogischen Dienst des LRK, welche etwaige Probleme der HF mit dem Erlebten vorbeugten oder behandelten, schlossen dann den Einsatz definitiv ab.

Zum Abschluss muss man festhalten, dass dieser Einsatz für die LRK-Rettungshundestaffel eine sehr grosse Erfahrung darstellt und dass sich die jetzt schon über Jahre dauernde Ausbildungs- und Einsatzkooperation mit dem deutschen Roten Kreuz als sehr positiv gezeigt hat. Unsere Staffel war, sowohl ausbildungsmassig wie auch materialmäßig sehr gut auf solch einen Einsatz vorbereitet und konnte das Gelernte auch in die Praxis umsetzten.  Sowohl die Hundeführer wie auch die Hunde vermochten es sich den ungewohnten Gegebenheiten (sehr große Hitze, Verhalten der Hunde im Flugzeug in dem sie das erste Mal waren – sowohl im Passagierraum wie auch im Gepäckraum) hervorragend anzupassen.


           Jerry AST
Leiter der LRK RH-Staffel


Infos bei: LRK Rettungshundestaffel
                Postfach 404
                L-2014 Luxemburg
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