Keine Denkverbote mehr (2001)
Die Ereignisse von Washington und New York haben neben vielem anderen auch zur Folge, daß eine Reihe von Tatsachen nicht mehr verdrängt werden können. Ich will hier gar nicht auf die politische Großwetterlage im Rahmen der internationalen Beziehungen eingehen. Wichtig für uns als Angehörige der „Zivilverteidigung“ (jawohl, ich scheue mich nicht dieses Wort zu gebrauchen) ist vor allem die Erkenntnis, daß mit dem Ende des Kalten Krieges die Gefahren in ihrer Art heimtückischer und in ihrer Wahrscheinlichkeit eher größer geworden sind. Im Konflikt mit größtenteils nicht staatlichen Akteuren die den eigenen Tod offensichtlich mit Vorfreude aufs verhießene Paradies hinnehmen und den Tod von zig-tausenden wehrlosen Zivilisten zumindest billigend in Kauf nehmen muß Schluß sein mit Denkverboten die der „political correctness“, haushaltlichen Engpässen oder anderen nebulösen „Schachzwängen“ entspringen. Dieses gilt entsprechend aber in höherem Masse auch für Konkurrenz denken innerhalb und zwischen den Hilfsorganisationen. Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, daß kein Szenario zu abwegig, pervers oder unwahrscheinlich ist um „apriorisch“ aus unseren Köpfen verbannt zu werden. „Science – fiction“ wurde von der Wirklichkeit ein und überholt und Peter Scholl-Latour verkündet das Ende der Spaßgesellschaft. Es ist an der Politik sich an die Ergründung der Ursachen des Terrors zu machen und geeignete Mittel zur Bekämpfung oder besser zur Ursachenbekämpfung zu entwickeln. Der Weg wird sehr lang und beschwerlich sein wobei jedermann klar sein sollte, daß es enorme Summen Geld kosten wird und auch noch mehr Blutzoll zu entrichten sein wird. Persönliche Freiheiten müssen vermutlich eingeschränkt werden und die Philosophie eines „anything goes“ in materieller und sozialer Hinsicht muß revidiert werden. Die Perzeption der möglichen Gefahren durch Politik und Gesellschaft ist dabei sich zu verändern. Europa weit wurde nach dem Ende des Kalten Krieges die Friedensdividende aus den Budgets der Organe der Staaten ausbezahlt die in irgendeiner Form mit der Abwehr innerer und äußerer Feinde oder Gefahrenabwehr befasst waren. Nun ist mit dem Ende des Kalten Krieges die Bedrohung durch eine fremde staatliche Macht weggefallen. Da Sicherheitsbedrohung aber heute hauptsächlich von nicht staatlichen Akteuren ausgeht und wie in den USA geschehen auch real wird, muß man bei einer ehrlichen Analyse feststellen, daß die geistige und materielle Abrüstung im Bereich der Zivilverteidigung eine Fehlentscheidung erster Ordnung war. Zur Zeit des Kalten Krieges wurde mehr oder weniger akzentuiert davon ausgegangen, daß Zivilverteidigung angesichts des nuklearen Overkills sinnlos sei. Die Protagonisten anders lautender Meinungen wurden als „Luftschutzheinis“ abqualifiziert die der gotteslästerlichen Meinung von der Führbarkeit eines Atomkrieges das Wort redeten. Nach dem Kalten Krieg war man froh keine Notwendigkeit mehr für ein derart teueres Hobby sehen zu müssen und vermutete hinter gegenläufigen Bestrebungen den Versuch Posten und Pfründe zu sichern. Es mad sein, daß in einem durch nukleare Großmächte geführten Krieg die Wirksamkeit des Zivilschutzes begrenzt und wohl insgesamt fraglich gewesen wäre. Aber bei der Bekämpfung der Folgen von Terrorangriffen durch die üblichen Verdächtigungen wie Schurkenstaaten oder nicht staatlichen Gruppen mit vermutlich wenigen und primitiven Massenvernichtungswaffen hat eine gut gerüstete und ausgebildete Zivilverteidigung eine reale Chance die Konsequenzen deutlich zu reduzieren. Diese Chance nicht um jeden Preis wahrzunehmen wäre nicht mit dem Anspruch der Politik bzw. Der Politiker vereinbar Schaden vom Volk abzuwenden. Reiner Hesse |
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